Ich höre meine Mitmenschen und Eltern sagen: „Nachts schalte ich mein Handy immer aus!“ oder „Handys machen Krebs!“
Wenn man nach den Gründen fragt, wird einem häufig die Antwort „Die von Handys und schnurlose Telefonen ausgehende Strahlung kann nicht gut für den Menschen sein!“ gegeben. Nicht ganz zufriedenstellend.
Vorsicht und Zurückhaltung neuer Technologien gegenüber ist nicht verkehrt (z.B. Radioaktivität), kann jedoch auch die Lebensqualität einschränken und unnötige Besorgnis und Unwohlsein hervorrufen. In solchen Punkten kann die Physik und Biologie Abhilfe schaffen.
Was ist Handy-Strahlung bzw. elektromagnetische Strahlung?
Damit ein Handy mit dem Mobilfunknetz kommunizieren kann, muss es elektromagnetische Strahlung senden und empfangen können. Diese Strahlung ist nichts anderes als eine dreidimensionale Welle aus wechselnd elektrischem und magnetischem Feld (Maxwell).
Die Frequenz f, mit der dieses Feld schwingt wird in Hertz [1/s] ausgedrückt und hängt proportional mit der Energie dieser Welle zusammen. Die Wellenlänge lambda ist der Kehrwert der Frequenz bezogen auf die Lichtgeschwindigkeit c (c=l*f). Je höher also die Frequenz bzw. je kleiner die Wellenlänge, desto höher die übertragene Energie.
Elektromagnetische Strahlung – Wikipedia
Abgrenzung zu radioaktiver Strahlung
Die Strahlung, die von Handys ausgeht ist nicht ionisierend. Die Feldstärken reichen also nicht aus, um Elektronen aus Atomen oder Molekülen zu entfernen, sodass positive Atomrümpfe (Ionen) zurückbleiben (Ionisation). Ionisierende Strahlung, wie sie z.B. bei Nuklearwaffen genutzt wird, ist bewiesenermaßen schädlich für das menschliche Gewebe. Es handelt sich bei ionisierender Strahlung jedoch nicht nur um (hochenergetische) elektromagnetische Strahlung (Gamma-Strahlung), sondern auch um Heliumrümpfe (2 Protonen, 2 Neutronen – Alpha-Strahlung), um Elektronen (Beta-Strahlung) oder um Neutronenstrahlung.
Einheit für ionisierende Strahlung ist 1 Gray [J/kg] und 1 Sv (Sievert) [J/kg] wobei die Schädlichkeit in Äquivalentdosen (Dosis plural) umgerechnet wird.
Das elektromagnetische Spektrum
Die Strahlung, die von Mobiltelefonen ausgeht liegt zwischen 0,9GHz und 5,8 GHz bzw. 33,3cm und 5,2cm. Damit ist sie im Bereich der Mikrowellenstrahlung angesiedelt. Das Handy sendet also ähnliche Strahlung aus wie die Mikrowelle in der Küche, nur etwa 1000fach schwächer.
Die Ausbreitung solcher Wellen ist stets räumlich, häufig gerichtet. Ihre Energie nimmt mit dem Abstand zum Quadrat ab. D.h. in einer Entfernung von 2m misst man nur noch 1/4 der Feldstärke wie in 1m Entfernung zur Strahlungsquelle.
Auswirkungen auf menschliches Gewebe
Die elektromagnetische Strahlung wechselwirkt mit Materie und nimmt beim Durchdringen dieser exponentiell in Intensität ab. Im Gegenzug wird die dissipierte Energie der Welle im Gewebe in Wärme umgewandelt – die Temperatur kann leicht ansteigen.
Die absorbierte Leistung (Energie pro Zeit) des menschlichen Gewebes wird in der Medizin und Biologie als Wert für die Belastung und Schädigung des Gewebes gesehen.
Der SAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate) bemisst eben diesen Sachverhalt. Die Größe kann über die Feldstärke, die Stromdichte oder die Temperaturerhöhung im Gewebe gemessen werden und wird in Watt pro Kilogramm [W/kg] angegeben.
Der gesetzlich zulässige Grenzwert von 2,00W/kg und die Messvorschriften sind in der Norm EN 62209-1 festgehalten.
Wissenschaftliche Studien – Schädlich ja oder nein?
Ob nun die nicht-ionisierende Strahlung dem Menschen schadet ist bisher nicht eindeutig geklärt.
Artikel der WHO zum Thema Mobilfunkstrahlung
Kurzzeitig
Kurzzeitige schädliche Effekte konnten in zahlreichen Studien bisher nicht festgestellt werden. Die vernachlässigbar geringe Erwärmung der hauptsächlich aus Wasser bestehenden menschlichen Zellen fügt diesen keinen Schaden hinzu.
Langzeit
Das Problem an Langzeitstudien in diesem Bereich ist, dass die Handys erst in den späten 90er Jahren Einzug gehalten haben und erst seit ca. 2005 sehr populär geworden sind.
Man konzentriert sich hauptsächlich auf eine Verbindung von Handystrahlung zu Tumoren im Hirn (Gliome – Sammelbegriff für Gehirntumore des Zentralnervensystem). Da Hirntumore mit Wahrscheinlichkeiten von 3 aus 100.000 Menschen pro Jahr auftreten, sind gewöhnliche Studien, wo t.B. 50.000 Testpersonen über lange Zeit beobachtet werden, aufgrund der sehr geringen Wahrscheinlichkeit der Erkrankung nur mit sehr großem finanziellen Aufwand durchführbar.
Stattdessen bedient man sich in den meisten Studien der Fallkontrollstudien.
Dabei werden zu bereits mit Gehirntumoren diagnostizierten Personen möglichst gleiche Partner ausgewählt und Unterschiede im Verhalten und den Lebensgewohnheiten untersucht. Aufgrund der gewählten Versuchsanordnung gibt es ein deutlich höheres „Grundrauschen“ bzw. Zufälligkeit, sodass geringe Differenzen in z.B. der Handnutzung nicht eindeutig als Ursache der Erkrankung zugeordnet werden können.
Mehr dazu gibt es hier zu lesen.
Schlussfolgerung
Eine klare Abhängigkeit zwischen Handystrahlung und Gehirntumoren ist weder aus der schwedischen, aus der amerikanischen noch aus der britischen Studie mit einer Millionen Frauen zu erkennen.
Anstatt die häufig gegenstandslose Diskussion über angeblich schädliche Strahlung anzuheizen, sollten wir stattdessen die Gefahren von Handys im Straßenverkehr und als Ruhestörer in den Fokus rücken. Die Zahl der Toten, verursacht durch diese Folgen des Informationszeitalters sind deutlich gravierender.
Video
Dieses Video war u.A. die Inspiration für diesen Artikel und trägt die Kernaussage treffend vor. (Video in englisch)